Auch im Westen Deutschlands bekommen ab den späten 1920er nationalistische, völkische und rassistische Bewegungen wachsenden Zulauf. 1923 erreicht die Gewalt von rechts außen einen ersten Höhepunkt. Nach Jahren relativer Ruhe löst die Wirtschaftskrise 1929 eine neue Welle der Radikalisierung aus. Auch in Westfalen und Lippe findet der Nationalsozialismus früh begeisterte Anhänger_innen. Die Landtagswahl im Zwergstaat Lippe im Januar 1933 wird schließlich zum Prolog des „Dritten Reichs“.
Von Beginn an wird der Versailler Vertrag und die in ihm festgelegte Besetzung des Rheinlands als Demütigung empfunden. Als besonders schmachvoll empfinden es viele Deutsche, dass sich vor allem unter den französischen Besatzungstruppen zahlreiche schwarze Kolonialsoldaten befinden. In rassistischen Kampagnen wird gegen die "farbige" Besatzung durch "Negersoldaten" Stimmung gemacht. Oft spielen dabei auch Vorurteile über die angebliche sexuelle Übergriffigkeit der Soldaten und der angeblich von ihnen eingeschleppten Krankheiten eine Rolle.
Jüdische Bürger_innen sind schon in der Weimarer Republik von Ausgrenzung und aggressiver Verfolgung bedroht - so auch in Rheinland und Westfalen, wo es viele jüdische Gemeinden gibt. Allein die Kölner Innenstadt zählt drei große Synagogen, zahlreiche Betstuben und jüdische Einrichtungen. Friedhöfe und Synagogen werden immer wieder Zielscheibe von Anschlägen. Die Verfolgung der Täter wird nicht selten mit nur geringem Einsatz betrieben: Nach einer Friedhofsschändung 1928 in Köln-Ehrenfeld fehlt von den "politisch motivierten" Tätern angeblich jede Spur.
"Schandbare Judenwirtschaft im Freistaat Lippe" - unter diesem Titel verfasst und verbreitet 1920 der Gymnasiallehrer Friedrich Fischer in Detmold ein antisemitisches Flugblatt. In Anspielung auf seine deutschnationale Gesinnung gibt er sich das Pseudonym "Germanikus".
Im westfälischen Gladbeck verwüsten zwei Jugendliche Anfang 1929 jüdische Grabsteine und schneiden Blumen ab, die dort zum Gedenken an die Verstorbenen gepflanzt worden waren. Die CV-Zeitung, das Publikationsorgan des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, berichtet später über die Täter, die zu drei bzw. vier Monaten Gefängnis verurteilt werden. Die Jungen waren kurz zuvor aus der NSDAP ausgetreten mit der Begründung, die Bewegung sei ihnen "nicht radikal genug".
Die Empörung über den offenen Antisemitismus im Rheinland und in Westfalen sorgt in der jüdischen Glaubensgemeinschaft weltweit für besorgte Reaktionen. So berichtet sogar Davar, die hebräische Zeitschrift des britischen Mandatsgebiets in Palästina, von der Schändung des kleinen jüdischen Friedhofs im abgelegenen Dorf Rödingen 1930: "14 Grabsteine wurden zerstört. Dies ist der 82. Fall einer Schändung eines jüdischen Friedhofes in Deutschland. Am Tag vor der Schändung gab es eine Versammlung von Faschisten in Rödingen."
Anlässlich einer Tagung in Köln appelliert der Verein zur Abwehr des Antisemitismus in seinem Publikationsorgan Abwehr-Blätter 1926 an den "versöhnlichen und klugen Geist im Rheinland". Er fordert die Menschen auf, den kritiklosen Judenhass der völkischen Rechten zu hinterfragen. Der bereits 1890 gegründete Verein will über die jüdische Kultur aufklären und irrationale Behauptungen über die Minderwertigkeit von Juden und stereotype Vorwürfe entlarven, wie etwa den des Ritualmords.
Ganz andere Töne schlägt die in Köln herausgegebene Antisemitische Zeitung an. Das selbst ernannte "christliche Abwehrblatt" verbreitet mit aggressiven Parolen antisemitische Stereotype, wie "Der Marxismus ist ein jüdisches Produkt!", die genau so auch in der nationalsozialistischen Ideologie vorkommen. Herausgeber ist Hubert Longerich, der später Chef der Anzeigenabteilung des Westdeutschen Beobachters wird, eines Parteiblatts der NSDAP.
Im Wahlkampf vor den Reichstagswahlen 1932 verschärft sich der antisemitische Terror auch im Rheinland. Im August kommt es in Köln zu gleich zwei gezielten Anschlägen auf die großen Synagogen. Beim Überfall auf die Synagoge in der St.-Apernstraße wird ein jüdischer Kaufmann aus der Schweiz von Nationalsozialisten verletzt. Vor der Synagoge an der Roonstraße (hier ein Bild aus dem Jahr 1900) detoniert eine Granate nur deswegen nicht, weil ihr Zünder defekt ist. Hinter den unbekannten Tätern vermutet das Kölner jüdische Wochenblatt Anhänger völkischen Gedankenguts.
In einem öffentlichen Brief drückt der Kölner Erzbischof Karl Joseph Kardinal Schulte 1932 dem Kölner Gemeinderabbiner Dr. Ludwig Rosenthal sein tiefes Bedauern aus. Nach erneuten Schändungen jüdischer Friedhöfe ruft er die deutsche Bevölkerung auf, sich energisch gegen den immer radikaler werdenden Antisemitismus zu stellen. Die CV-Zeitung druckt diese Bekundung christlicher Solidarität in seiner April-Ausgabe ab.
Auch in Düsseldorf berichtet die Presse Anfang der 1930er Jahre von gezielten Verunglimpfungen, die rechtsradikale Gruppierungen in einer nächtlichen Aktion an die Große Synagoge in der Kasernenstraße geschmiert haben. Die Täter haben die Wände des Gebäudes mit roten Hakenkreuzen und brutalen Beschimpfungen wie "Juda verrecke" verunstaltet.
In Trümmern liegt das Druckereigebäude der sozialdemokratischen Zeitung Der Volkswille in Münster. Die Täter sind vermutlich Mitglieder der NSDAP-Ortsgruppe, die bei ihrem Anschlag am 24. Juni 1923 Tote und Verletzte in Kauf nehmen. Besonders perfide: Der Anschlag findet am ersten Jahrestag der Ermordung des Reichsaußenministers Walther Rathenau statt. Dieser war aufgrund seiner jüdischen Herkunft den extremen Rechten besonders verhasst.
Zu einer Protestveranstaltung gegen die "widerrechtliche" Inhaftierung "unseres großen Führers" ruft die Münsteraner NSDAP im November 1924 auf. Hitler werde "hinter Kerkermauern festgehalten", heißt es reißerisch auf dem Werbeplakat zu der Kundgebung, zu der "Nichtdeutsche" (sprich Jüd_innen) keinen Zutritt haben. Dabei wird Hitler nach seinem gescheiterten Putschversuch 1923 in München zu einer äußerst milden Festungshaft verurteilt, aus der er schon 1925 wieder entlassen wird.
In bayerisch anmutender Tracht marschieren SA-Anhänger 1932 auf (vermutlich in Dortmund). Seitdem die preußische Regierung im Juni 1930 ein Uniformverbot verhängt hat, sieht man die SA meist in weißen statt braunen Hemden. Lederhosen tragen ihre Anhänger, um damit symbolisch ihre Verbundenheit mit München auszudrücken. Die bayerische Hauptstadt gilt den Hitler-Anhänger_innen als "Hauptstadt der Bewegung".
Auch in Hamm prägen SA-Männer in weißen Hemden und Lederhosen 1930 das Bild in der Öffentlichkeit. Hier sind sie vor dem örtlichen Kriegerdenkmal aufmarschiert, um den Bezirkstag der NSDAP abzuhalten. Kriegerdenkmale sind gern genutzte Treffpunkte für Aufmärsche von Rechtskonservativen und Völkischen, um die Deutungshoheit über den Weltkrieg für sich zu beanspruchen. Der Bevölkerung soll damit signalisiert werden, dass hier die "wirklichen" Veteranen stehen, während alle anderen als Drückeberger und Verräter diffamiert werden.
Das Hermannsdenkmal bei Detmold - ein anderes herausragendes Symbol der völkisch-nationalistischen Bewegung. Es erinnert an den Germanen Arminius, genannt Herrmann der Cherusker, der angeblich im Teutoburger Wald im Jahre 9 n. Chr. die Römer siegreich geschlagen hat. Die Nationalsozialist_innen verwenden es im Januar 1933 als Motiv im Wahlkampf für die Landtagswahl in Lippe. Die eigentlich fast bedeutungslose Wahl in dem Zwergstaat 1933 wird aber wegen der Propagandaschlacht der NSDAP überall in Deutschland beachtet.