Selbstbewusst blickt diese Frauengruppe mit Herrenbegleitung aus Hamm in die Kamera. Gekleidet in der traditionellen Bergmannskluft besichtigen sie 1921 die Zeche Preußen I/Lünen Süd. Geradezu sinnbildlich zeigt dieses Foto, wie Frauen in der Weimarer Republik in traditionelle Männerdomänen vordringen. Noch sind die Hindernisse und Widerstände riesig, wenngleich in den Städten zumindest ansatzweise alte Rollenbilder ins Wanken geraten. Nicht zuletzt die Männer müssen sich nach den traumatischen Erfahrungen an der Front erst wieder zurechtfinden.
Millionen Männer stehen von 1914 bis 1918 als Soldaten an der Front - ihre Arbeitsplätze werden daher "ausnahmsweise" von Frauen übernommen. Darunter auch Tätigkeiten in Stahlwerken, Rüstungsfabriken oder über Tage auf den Zechen. Nach Kriegsende und im Zuge der Wiedereingliederung von Soldaten, der sogenannten Demobilisierung, werden Frauen massenhaft wieder entlassen, auch aus Arbeitsstätten, in denen sie schon vor dem Krieg jahrelang tätig gewesen sind, wie etwa der Textilindustrie.
Doch schon bald sind Frauen wieder gefragt, insbesondere in den neu aufstrebenden Dienstleistungsberufen. Auf diesem Bild sieht man einen Fortbildungskurs in Dortmund für angehende Sekretärinnen. Zwar werden Ausbildungen für junge Frauen immer attraktiver und selbstverständlicher, ihre Berufstätigkeit endet jedoch meist mit der Heirat. Erst 1977 wird in der Bundesrepublik das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) dahingehend geändert, dass Frauen ihren Ehemann nicht mehr um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie erwerbstätig sein wollen.
Auch einzelne Handwerksberufe öffnen sich in der Weimarer Republik für weibliche Lehrlinge. Sie arbeiten etwa als Friseurinnen, Floristinnen, Schneiderinnen oder - wie auf diesem Bild - als Putzmacherinnen (Hutmacherinnen). 1920 weist Preußen seine Kommunen an, "soweit erforderlich und möglich", die allgemeine Berufsschulpflicht auch für weibliche Lehrlinge einzuführen.
… wie beim "Runkeln verziehen", dem Jäten von Unkraut auf einem Rübenfeld in der Soester Börde 1919. In der Landwirtschaft ist die körperlich harte Arbeit von Frauen selbstverständliche Notwendigkeit. Ob auf dem Feld, im Haushalt, im Gemüsegarten oder in der Geflügelhaltung - Frauen sind oft mit mehreren Aufgaben belastet, müssen Multitasking beherrschen, zumal noch Kindererziehung und die Verpflegung aller Familienmitglieder und der Mitarbeiter_innen des Hofes dazukommen.
In den Großstädten und in privilegierten Kreisen werden traditionelle Geschlechterbilder zunehmend infrage gestellt. Mancherorts - wie hier bei der Waldbewirtschaftung im Siegerland - sind die Rollen dagegen noch klar verteilt. Männer leisten Arbeit an Maschinen - Frauen haben im Haus ihren Pflichten nachzukommen. Pflege der Großeltern, christliche Kindererziehung, Haushaltsführung - all dies bleibt noch lange ausschließlich Aufgabe der Frau.
Häufig sind gerade Frauen aus bürgerlichem Hause ehrenamtlich aktiv, da sie durch Dienstboten und finanzielle Absicherung in ihrer Zeitgestaltung freier sind. Das Engagement in sozial-karitativen Vereinen wird dabei zunehmend professioneller: Im Jahr 1916 gründet die Lehrerin und spätere Zentrums-Politikerin Helene Weber in Köln eine der ersten Sozialen Frauenschulen. 1918 nach Aachen verlegt, erhält diese im November 1919 die staatliche Anerkennung zur Ausbildung von Wohlfahrtspflegerinnen, den heutigen Sozialarbeiter_innen.
In jungen Jahren unbeobachtet dem anderen Geschlecht zu begegnen, ist während der Weimarer Republik gar nicht so einfach. Schulunterricht findet meist getrennt statt, erste Modellversuche einer Koedukation bilden noch eine seltene Ausnahme. Einige fortschrittliche Jugendbünde probieren es dagegen schon aus, geschlechterübergreifende Freizeiten zu veranstalten. 1930 fahren junge Männer und Frauen eines Singkreises der Jugendorganisation Wandervogel gemeinsam zu einem Zeltlager an einen See.
Erst 1908 ist es soweit - als vorletztes Bundesland öffnet Preußen seine Universitäten für Frauen. Doch erst in der Weimarer Republik werden sie von einer bestaunten Kuriosität zum festen Bestandteil des akademischen Alltags. An der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wo diese Studentinnen zusammen feiern, liegt ihr Anteil 1918/19 noch bei 9,4 %, im Semester 1931/32 sind es bereits 21,4 %.
Ab 1919 dürfen Frauen nicht nur wählen, sondern auch gewählt werden. Frauenquoten liegen natürlich noch außerhalb jeder Vorstellungskraft. So sind es Einzelkämpferinnen, wie hier Elisabeth Reckmann im Kreistag von Beckum, die versuchen den Männerbetrieb Politik aufzumischen. Häufig jedoch werden sie auf die Politikfelder Jugend, Gesundheit und Soziales verwiesen.