In Rheinland und Westfalen werden Leichtathletik, Boxen, Radsport, Handball, Reiten und natürlich der Fußball zu Massensportarten. Große Wettkämpfe steigern die Motivation der Aktiven und überall im Land schießen große Hallen und Stadien aus dem Boden. Welchen Sport man ausübt, ist oft noch eine Frage der Milieuverbundenheit. Und auch die Politik weiß den Sport von Anfang an für sich zu nutzen.
Noch ist Deutschland Mitte der 1920er Jahre von den Olympischen Spielen ausgeschlossen. Als eine Art Ersatzveranstaltung finden 1926 die "Deutschen Kampfspiele" im gerade von den Alliierten geräumten Köln statt. Der Name der Veranstaltung ist bewusst doppeldeutig: Nicht nur der Wettkampf, auch der Nationalstolz soll befeiert und befeuert werden.
Dementsprechend ist den Veranstaltern die durch Massenaufmärsche an die Siegermächte vermittelte Botschaft wichtig, dass das deutsche Volk wehrhaft bleibt. Zwar wirkt der Adler, mit dem Köln für die "Kampfspiele" wirbt, nicht allzu überzeugt, dennoch wird die Veranstaltung zu einem großen Publikumserfolg.
so wollte "Turnvater" Jahn seine deutsche Jugend sehen. Friedrich-Ludwig Jahn initiierte die Turnbewegung Anfang des 19. Jahrhunderts nicht zuletzt als Speerspitze gegen die napoleonische Besatzung Preußens. Nun stehen wieder französische Truppen am Rhein. Da passt es wunderbar, dass man sich zu seinem 150. Geburtstag 1928 zum Deutschen Turnfest im "befreiten" Köln versammelt.
Das Turnfest im Sportpark Müngersdorf mit über 300.000 Teilnehmer_innen gerät zum Hochamt nationaler Einheit. Als ein Fest "der Volksfamilie Deutscher Stämme und Landschaft", im "Gleichklang der Herzen und in dem Bekenntnis zu Deutschland" preist es der Kölner Politiker Heinrich Billstein. Das Layout der Festzeitung mit einem nach Westen blickenden blonden Jüngling wirkt so fast wie eine Illustration zum alten Kampflied Die Wacht am Rhein.
Überall im heutigen NRW schießen in den 1920er Jahren Sportstadien wie Pilze aus dem Boden. Publikumsmagnet Nummer eins wird bald der Fußball, für den die größten Arenen genutzt werden (wie hier im Jahr 1926 eingeweihten Stadion Rote Erde in Dortmund). Im Rheinland leisten sich Köln, Düsseldorf, Koblenz, Mönchengladbach, Essen und Solingen großzügige Stadien für ihre (mehr oder weniger) erfolgreichen Vereine.
Zum Ausbau des Ligabetriebs gehört auch der Bau von Stadien. Zahlreiche Stadien, wie etwa in Düsseldorf, Köln, Koblenz, Trier und Solingen werden in den 1920er Jahren geplant und vollendet. Das Rheinstadion in Düsseldorf wird in den Jahren 1925/26 eröffnet.
Die Hackordnung zwischen Schalke und Dortmund in der Weimarer Republik ist noch eindeutig: Alle fünf Revierderbys in dieser Zeit gehen an die Königsblauen. Auch Länderspiele finden erstmals im "Pott" statt: 1922 empfängt Deutschland das Team aus Ungarn im Stadion des TuS Bochum an der Castroper Straße (im Bild, heute Ruhrstadion) - das Spiel endet torlos.
Gummersbach, Minden, Lemgo - bis heute sind diese kleinen Orte Hochburgen des Handballs. Im Gegensatz zum großstädtischen Fußball formieren sich die Handballer_innen in den 1920er Jahren eher in der Provinz Ostwestfalens und dem Bergischen Land. Der aus Mülheim a. d. Ruhr stammende Hans Keiter (Bild) krönt seine Karriere 1936 mit dem Sieg seiner Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Berlin.
Eher bodenständig geht es auch beim Boxen zu: Mit dem SC Colonia 06 mausert sich Köln in den 1920er Jahren zu einem Zentrum dieses Sports. 1927 gewinnen die drei Kölner Franz Dübbers, Jakob Domgörgen und Hein Müller in ihren Gewichtsklassen die Europameisterschaft in Berlin. In Anlehnung an den Karneval nennen die Kölner das Trio mit den fliegenden Fäusten fortan nur noch "Dreigestirn".
Auch der Radsport reißt in den 1920er Jahren die Kölner aus den Sitzen. 1928 wird in der Rheinlandhalle in Köln-Ehrenfeld erstmals das Sechstagerennen ausgetragen. Mit Gottfried Hürtgen und Viktor Rausch gewinnen bei der Premiere gleich zwei echte "Kölsche". Erst 1998 endet nach 46 Ausgaben die Tradition der Kölner Sechstagerennen.
Während Fußball, Handball, Radsport und Boxen bei Arbeiter_innen und Angestellten erste Wahl sind, haben Sportler_innen aus dem Bürgertum häufig andere Vorlieben. Feldhockey gilt etwa als klassischer Sport der Mittelschicht (hier die Mannschaft des Essener Turn- und Fechtclub e. V., ETuF). Segeln, Reiten, Tennis, Rudern, Motorsport und Golf wiederum sind typische Disziplinen der Oberschicht, die nur wenigen Begüterten vorbehalten sind.
Spiel, Satz, und Sieg für Cilly Aussem (links): Die Kölnerin gewinnt 1931 als erste Deutsche das Tennisturnier von Wimbledon. Erste Gratulantin nach ihrem Zweitsatzsieg ist ihre Finalgegnerin Hilde Krahwinkel aus Essen. Bis heute ist es das einzige rein deutsche Finale zweier Tennisdamen in Wimbledon. Erst 60 Jahre später gelingt Michael Stich und Boris Becker bei den Herren das gleiche Kunststück.
Ein gutes Pferd springt nur so gut, wie es muss - das beweisen die beiden Reiter_innen beim Gruppenspringen des CHIO 1926 in Aachen. Zwei Jahre zuvor fand in der Stadt im Dreiländereck erstmals der Concours Hippique International Officiel statt, mit Wettbewerben in den Disziplinen Springen, Dressur und Fahren. Erstmals wird der früher elitäre Adelssport zum Massenspektakel mit Tausenden Zuschauer_innen.
Schließlich boomt in den Weimarer Jahren auch der Motorsport: Eine "Gebirgs-, Renn- und Prüfungsstrecke" nach modernsten Maßstäben entsteht 1927 im Schatten der Nürburg in der Eifel. ADAC und preußische Behörden wollen damit der schon damals strukturschwachen Region unter die Arme greifen. An der Strukturschwäche hat sich bis heute nicht viel geändert - der Nürburgring wurde derweil zum Mythos.