…aber nicht für den Krieg, sondern für den flächendeckenden Verkehr und die Versorgung mit Energie. Vor dem Ersten Weltkrieg hat Kaiser Wilhelm II. noch prophezeit, dass das Auto eine "vorübergehende Erscheinung" sei und die Zukunft allein dem Pferd gehöre. Was für eine Fehleinschätzung: Im ganzen Land entstehen nun Straßen, Schienen und Kanäle, um dem zunehmenden Verkehr Herr zu werden. Gleichzeitig wird das Stromnetz ausgebaut, sodass nun fast alle Haushalte Elektrizität beziehen. Gerade im Ruhrgebiet und in der Rheinschiene mit ihrer geballten Industrie geht der Ausbau der Infrastruktur rasant voran.
Wie Ameisen wirken die Arbeiter, die Mitte der 1920er Jahre den Strommast einer Hochspannungsleitung errichten. Im ganzen Reich entstehen diese Verbindungstrassen, um den Kohlestrom von Rhein und Ruhr mit dem Strom aus Wasserkraft im Süden austauschen zu können. Ganz vorne in der Entwicklung mit dabei ist das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE). Der Großkonzern teilt den Markt 1927 im sogenannten Elektrofrieden mit seinen Konkurrenten und beherrscht seitdem die Stromerzeugung im Westen.
Wie ein riesiger Industriemoloch erscheint das bereits 1914 errichtete Goldenberg-Werk in Hürth bei Köln, nach dem Ersten Weltkrieg das größte Braunkohlekraftwerk Europas. "Zwölf Apostel" nennen die Einheimischen die gigantischen, jeweils über 100 Meter hohen Schornsteine. Während der Weimarer Republik beginnt die heute höchst umstrittene Braunkohleförderung in der Region in großem Stil. Nicht erst der Tagebau Hambach lässt ganze Gemeinden und Landschaften verschwinden.
Geboren in Mülheim an der Ruhr, wird Hugo Stinnes (1870-1924) in den Wirren der Nachkriegsjahre zu einem der erfolgreichsten und einflussreichsten Unternehmer der frühen Weimarer Republik. Sein gewaltiger Mischkonzern, Aufsichtsratsposten und Beteiligungen an zahlreichen Firmen machen ihn zur grauen Eminenz. 1920 zieht er für die rechtsliberale Deutsche Volkspartei (DVP) in den Reichstag ein, wo er für Linke und Rechte als "Kriegs- und Inflationsgewinnler" ein Feindbild verkörpert. Nach seinem frühen Tod 1924 zerfällt sein einstiges Firmenimperium in seine Einzelteile.
1922 sind in Deutschland gerade einmal rund 80.000 PKWs auf den Straßen unterwegs - nicht mehr als vor dem Krieg. Bis zum Ende der Republik vervielfacht sich deren Zahl auf rund 500.000, hinzu kommen 150.000 LKWs und 800.000 Motorräder. Um verstopften Straßen vorzubeugen, baut der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR) daher ab 1926 eine dreispurige Schnellstraße zwischen Dortmund und Duisburg. Vorbild ist die mittelalterliche Handelsstraße Hellweg, auf deren Route die Trasse verläuft. Staugeplagte Autofahrer_innen im Westen kennen sie heute besser als Ruhrschnellweg oder einfach A 40.
Hartnäckig hält sich bis heute die Legende, Hitler und die Nationalsozialisten hätten die Autobahnen "erfunden" und erstmals bauen lassen. Doch weit gefehlt: Die ersten Fernstraßen entstehen bereits während der Weimarer Republik. 1924 sind es aber die Italiener, die mit der Autostrada dei Laghi zwischen Mailand und Varese die erste Autobahn der Welt bauen. Deutschlands erstes Teilstück folgt 1932 mit der Verbindung zwischen Köln und Bonn (heute A 555, hier die Anschlussstelle Wesseling). Noch sind die Autobahnen gähnend leer, doch Pläne für weit größere Projekte liegen schon in den Schubladen…
1920 ist auch bei der Eisenbahn Schluss mit der Kleinstaaterei: Die acht Staatsbahnen des alten Kaiserreichs schließen sich zur Reichsbahn zusammen. Bei den Fahrkarten bleibt die Klassengesellschaft jedoch weiterhin intakt: Erst 1928 wird die häufig als Holzklasse titulierte vierte Klasse abgeschafft. Die schnellen Vorzeigestrecken laufen damals von West nach Ost. Im Jahr 1930, als dieses Foto im Kölner Hauptbahnhof aufgenommen wird, entsteht gerade zwischen Hamburg und Berlin die damals mit bis zu 160 km/h befahrbare schnellste Bahnverbindung der Welt.
Diesen Anblick will sich im Dezember 1923 niemand entgehen lassen, wie die zahlreichen Schaulustigen im Hintergrund beweisen. Ein Güterzug hat in Dortmund-Eving einen Prellbock überfahren und ist entgleist. Während der Ruhrbesetzung kontrollieren die alliierten Mächte Frankreich und Belgien den Eisenbahnbetrieb. Inszenierte Unfälle und Zusammenstöße durch Sabotageakte sind an der Tagesordnung.
Beim Verkehrsmittel Straßenbahn läuft während der Weimarer Republik nicht alles rund. Zwar nutzen gerade in den Industriestädten an Rhein und Ruhr (wie hier in Oberhausen) viele die Tram, um zur Arbeit zu pendeln. Doch der Ausbau der Trassen endet in der Regel an der Stadtgrenze - eine Ausweitung oder gar ein Verbund der Streckennetze scheitert meist am Kirchturmdenken der Kommunalpolitik. Eine Ausnahme ist das Netz der bis heute bestehenden Bochum-Gelsenkirchener-Straßenbahn (Bogestra), das den Bereich zwischen Dortmund und Essen abdeckt.
…schon damals eine unendliche Geschichte. Mitte der 20er Jahre entwickeln die Kommunen an Rhein und Ruhr ein ehrgeiziges Projekt für eine Rheinisch-Westfälische Schnellbahn (RWS), die die wichtigsten Großstädte zwischen Dortmund und Köln miteinander verbinden soll. Als südlichen Endpunkt plant die Domstadt einen futuristischen Untergrundbahnhof, mit dem die RWS an den Hauptbahnhof angebunden werden soll. Das ehrgeizige Projekt gerät während der Krisenjahre in Vergessenheit und wird 1938 endgültig begraben.
Nicht nur als deutscher Schicksalsfluss, sondern auch als Verkehrsachse hat der Rhein eine große Bedeutung. Zwei Drittel aller Schiffe im Reich verkehren auf dieser Wasserstraße zwischen Basel und Kleve. Kein Wunder also, dass die alliierten Besatzungsmächte den Rhein und seine Schifffahrt unter dauernder Aufsicht halten wollen. Zwei Schiffe der Weißen Flotte am Bonner Rheinufer haben daher nicht aus Versehen die französische Trikolore geflaggt.
Besonders im Visier von Franzosen und Belgiern stehen Anfang der 1920er Jahre auch die Häfen von Duisburg-Ruhrort. Beide Häfen werden zu einem der größten Binnenhäfen in Europa zusammengelegt und 1924 in eine Aktiengesellschaft überführt. Mitte der 1920er Jahre stauen sich hier Schlepper und Lastkähne, um Kohle zu verschiffen. Zugute kommt Duisburgs Hafen, dass er hervorragend an das Eisenbahnnetz angeschlossen ist.
Noch ist die Dominanz des Frankfurter Flughafens nicht so erdrückend wie heute. Darum kann sich der Kölner Flughafen Butzweilerhof Ende der 1920er Jahre guten Gewissens als das "Drehkreuz des Westens" bezeichnen. Im April 1926 - gleich nach Abzug der britischen Besatzung - eröffnet die neu gegründete Lufthansa in Köln den planmäßigen Flugverkehr mit der Strecke Berlin-Köln-Paris. Zu diesem Zeitpunkt verbucht der "Butz" täglich bereits rund 24 Starts und Landungen.