sammeln sich in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1918 Revolutionäre auf dem Prinzipalmarkt in Münster. Die konservative Bürgerschaft fremdelt allerdings mit der Revolution. "Russische Verhältnisse", "Anarchie" und "Chaos" sind die Begriffe, die sie mit dem Symbol der Revolutionäre verbindet. 18 Jahre nach der Revolution - im Jahr 1936 - färbt der Münsteraner Stadtarchivar die Fahne auf dem Schwarz-Weiß-Foto nachträglich rot ein: Die Fahne wird nun zum Warnsignal, das die verhasste "Systemzeit" eingeläutet hat.
Zu Recht posieren sie stolz für diese Aufnahme. Es sind die Mitglieder des Generalsoldatenrats für den Bezirk des VII. Armeekorps in Münster im Jahr 1918. Der Generalsoldatenrat ist eine Art revolutionäre Übergangsregierung. Die Mitglieder dieser Regierung sind allerdings alles andere als einer Meinung. Wie auch beim großen Vorbild, dem Berliner Arbeiter- und Soldatenrat, gibt es unter ihnen gemäßigte Reformer und radikale Revolutionäre. Ihre Vorstellungen über Deutschlands Zukunft könnten unterschiedlicher nicht sein.
... für den Volks- und Soldatenrat in Detmold ist es, den lippischen Fürsten Leopold IV. zur Abdankung zu bewegen. Am 10. November endet damit auch hier die Monarchie. Ungleich schwieriger ist es, die heimkehrenden Soldaten wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Mitte November trifft das 55. Infanterie-Regiment in seiner Heimatgarnison Detmold ein. Mit Flugblättern versucht der Volks- und Soldatenrat die Heimkehrer republikfreundlich zu stimmen.
Längst nicht alle Soldaten sind Anhänger der Revolution. Wie hier in Münster werden überall in Deutschland ehemalige Soldaten, die sich in Freikorps zusammengeschlossen haben, gegen die "radikalen Auswüchse" der Revolution mobilisiert. Schnell sind diese Verbände für ihr martialisches Auftreten und ihr skrupelloses Vorgehen bekannt und berüchtigt.
Die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung ist für diese Herren ein wichtiges Anliegen. Was liegt also näher, als eine Bürgerwehr zu gründen, um die radikalen Revolutionäre in die Schranken zu weisen - der Unterstützung durch die Freikorps können sie sich sicher sein.
Am 13. März 1920 putschen die Generäle Walther von Lüttwitz und Erich Ludendorff mit dem Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp gegen die Reichsregierung in Berlin. Dieser Kapp-Lüttwitz-Putsch entfacht im Ruhrgebiet besonders schwere Kämpfe.
Republikfeindliche Ansichten, Frust über den verlorenen Krieg, und das "Schanddiktat" von Versailles ergeben eine explosive Mischung! Dazu kommen die alten reaktionären Eliten der ehemaligen Monarchie, die das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen. Diese Soldaten im Ruhrgebiet kommen eigentlich aus Bayern, sind aber auf Befehl des kommandierenden Generals v. Watter Richtung Dortmund unterwegs, um für "Ruhe und Ordnung" zu sorgen. Sie gehören zu einer der vielen Freikorpseinheiten (Freiwilligenverbände), die größtenteils rechtskonservative und republikfeindliche Ansichten vertreten.
Vor allem Arbeiter treten den Putschisten entschieden entgegen und greifen zu den Waffen. Auch in Dortmund machen sich die Anhänger der Roten Ruhrarmee auf den Weg zur Front. Diese verläuft oft nur ein paar Häuserblocks entfernt. Insgesamt etwa 50.000 Kämpfer machen mobil im sogenannten Ruhraufstand gegen die nationalkonservativen Putschisten.
Ziviler Ungehorsam in Form eines landesweiten Generalstreiks macht nach 100 Stunden Schluss mit dem Kapp-Lüttwitz-Putsch. Scheinbar hat das aber keiner der Roten Ruhrarmee mitgeteilt. Einige Teile kämpfen weiter um die politische Macht im Ruhrgebiet. Es kommt zu blutigen Gefechten, so wie Ende März/Anfang April 1920 in Hamm-Pelkum. Dabei wird auch eine Eisenbahnbrücke gesprengt.
Der Ruhraufstand wird schließlich brutal niedergeschlagen. Und dies ausgerechnet von denselben Freikorps- und Reichswehreinheiten, die zuvor zu den Kapp-Lüttwitz-Putschisten gehörten. Fast stolz posieren hier Angehörige der Reichswehr in Möllen bei Duisburg am 2. April 1920 vor erschossenen Kämpfern der Roten Ruhrarmee.
Nach der Niederschlagung des Ruhraufstandes marschiert eine bayerische Freikorpsbrigade am 6. April 1920 in Dortmund ein. Damit ist die Rote Ruhrarmee besiegt. Der Graben zwischen Teilen der militanten Arbeiterbewegung und der sozialdemokratisch geführten Regierung vertieft sich immer weiter. Bei den Reichstagswahlen zwei Monate später erleidet die SPD auch deshalb eine schwere Niederlage.