Kaum ist der Krieg für Deutschland verloren, beginnen im Dezember 1918 französische, belgische, britische und US-amerikanische Truppen mit der Besetzung der linksrheinischen Gebiete. Laut dem Versailler Friedensvertrag (1919) sollen die alliierten Siegermächte 15 Jahre bleiben. Doch für die besiegten Deutschen kommt es noch schlimmer: 1923 marschieren Belgier und Franzosen - wie hier am Essener Hauptbahnhof - im Ruhrgebiet ein. Rheinische Separatisten sehen darin ihre Chance gekommen. Für einen Moment scheint die Einheit Deutschlands auf dem Spiel zu stehen …
Die besetzten Gebiete erstrecken sich vom niederrheinischen Kleve bis zum pfälzischen Pirmasens. Jede Siegermacht bekommt eine Zone zugewiesen, diese wechseln allerdings häufig. Zwischen 1923 und 1925 ist auch das Ruhrgebiet und damit ein Teil Westfalens besetzt. Bereits ab 1926 beginnen die Alliierten sukzessiv mit dem Abzug ihrer Truppen, im Jahr 1930 verlassen schließlich die letzten französischen Truppen Mainz.
Die Besatzer richten ihre Hauptquartiere in einigen Großstädten ein, um hier ihre Verwaltung aufzubauen. In Köln beziehen die Alliierten das zentral gelegene Hotel Excelsior Ernst am Hauptbahnhof. Vor dem Dom lassen sie Panzer auffahren, um unmissverständlich die neuen Machtverhältnisse zu demonstrieren.
Auch in der Fremde wollen diese Angehörigen des britischen Militärs nicht auf ihre Gewohnheiten verzichten: Bei einem Pferderennen in Köln pflegen sie die traditionelle Tea-Time-Zeremonie. Mit den Besatzungssoldaten gelangen auch ihre kulturellen Bräuche und alltäglichen Lebensgewohnheiten an den Rhein.
Koblenz wird Hauptsitz der obersten Besatzungsbehörde, der Interalliierten Rheinlandkommission. Die sogenannte Irko nimmt ihre Arbeit im April 1919 im Oberpräsidium der Rheinprovinz in der Kronprinzenstraße auf (heute Stresemannstraße). Neben Frankreich, das wegen seiner besonders großen Kriegsschäden der Behörde vorsteht, gehören der Irko Belgien, Großbritannien und die Vereinigten Staaten an.
Präsident der Besatzungsbehörde wird der Franzose Paul Tirard. Zu seinen Aufgaben gehört es, für die reibungslose Zusammenarbeit zwischen Besatzern und den deutschen Behörden vor Ort zu sorgen. Tirard verfolgt eine Politik, die die kulturelle und historische Verbundenheit des Rheinlands mit Frankreich betont. Dabei unterstützt er auch separatistische Kräfte, die Preußen und dem Reich den Rücken kehren wollen.
Im Herbst des Krisenjahres 1923 rufen Separatisten in Köln die "Rheinische Republik" aus. Weitere Ausrufungen folgen in Aachen, Krefeld, Düren und Duisburg. Schon 1919 haben hochrangige Politiker, darunter Konrad Adenauer, kurzzeitig über eine größere Autonomie für das Rheinland nachgedacht. Die Separatisten aber wollen mehr. Ihre Anhänger_innen fordern einen von Preußen losgelösten Rheinstaat.
Straßenschlachten zwischen Separatisten, empörten Bürger_innen und der Polizei sind im Herbst 1923 in mehreren rheinischen Städten an der Tagesordnung. Im Aachener Rathaus eskaliert die Situation, als wütende Bürger_innen das besetzte Gebäude zurückerobern wollen und dabei den altehrwürdigen Kaisersaal verwüsten.
Heute erinnert an die Siebengebirgsschlacht nur noch dieser 1935 errichtete Gedenkstein in Aegidienberg (heute zu Bad Honnef gehörend). Im November 1923 kommt es hier zu Plünderungen und den blutigsten Ausschreitungen zwischen Befürwortern und Gegnern des Rheinstaates. Die Plakette erinnert lediglich an die "kerndeutschen Arbeiter und Bauern", die ihr Blut zur "restlosen Vernichtung der Separatisten" vergossen haben.
Im Januar 1923 besetzen französische und belgische Truppen weite Teile des Ruhrgebiets, um die Reichsregierung für ausbleibende Reparationszahlungen abzustrafen. Die Deutschen reagieren mit passivem Widerstand gegen diese völkerrechtlich fragwürdige Maßnahme. Tausende Arbeiter_innen und Angestellte legen ihre Arbeit nieder und verweigern fortan Befehle der Besatzer.
Angesichts der angespannten Lage im Ruhrgebiet kontrollieren die Besatzer 1923 den Zugang ins Ruhrgebiet streng. Ausgestellt werden nun Personalausweise wie dieser für einen jungen Mann aus Lünen - "gültig nur für die Einreise in das [französisch] besetzte Gebiet".
Die Ruhrbesetzung verschärft die anti-französische Propaganda umgehend. Die "Marianne" als Verkörperung des "Erbfeinds" dient dabei als dankbares Motiv. Seit dem berühmten Gemälde Die Freiheit führt das Volk (1830) von Eugène Delacroix ist sie eine Ikone der Französischen Revolution und ihrer Ideale. Auf provokativen Plakaten und Flugblättern werden nun Nationalsymbole wie "Marianne" gezielt verunglimpft: Dargestellt als fratzenhaftes Flintenweib, das sich das Ruhrgebiet unter den Nagel reißt.
Die Ruhrbesetzung verschärft die anti-französische Propaganda umgehend. Die "Marianne" als Verkörperung des "Erbfeinds" dient dabei als dankbares Motiv. Seit dem berühmten Gemälde Die Freiheit führt das Volk (1830) von Eugène Delacroix ist sie eine Ikone der Französischen Revolution und ihrer Ideale. Auf provokativen Plakaten und Flugblättern werden nun Nationalsymbole wie "Marianne" gezielt verunglimpft: Dargestellt als fratzenhaftes Flintenweib, das sich das Ruhrgebiet unter den Nagel reißt.
Auch unverblümter Rassismus gehört wie selbstverständlich zu den antifranzösischen Kampagnen. Zielscheibe der Propaganda sind insbesondere dunkelhäutige Soldaten aus den Kolonien. Ihnen wird sexuelle Übergriffigkeit gegenüber deutschen Frauen unterstellt. Dazu kommt die Angst vor angeblich eingeschleppten Krankheiten und eine generelle Arroganz gegenüber den vermeintlich "kulturlosen Schwarzen".
Zu den Highlights der patriotischen Feierlichkeiten zählen 1925 die Jahrtausendausstellungen in Köln und Aachen. Beide ziehen Massen von Besucher_innen an. Die Krönungsausstellung im Aachener Rathaus zeigt wertvolle Exponate zu den Königskrönungen aus der Zeit des mittelalterlichen Reichs. "Deutsches Wesen tut sich dabei kund", heißt es dazu lobend in der Rheinischen Tageszeitung.
Die Jahrtausendausstellung der Rheinlande in den Messehallen Köln-Deutz versteht sich als Konkurrenzveranstaltung zu der in Aachen. Auf dem 1924 eröffneten Messegelände wird mit Tausenden von Objekten eine kunst- und kulturgeschichtliche Schau zur Geschichte des Rheinlands gezeigt. 1,4 Mio. Besucher_innen verfolgen das Spektakel.
Noch weitaus gelöster feiern die Menschen der besetzten Gebiete das Ende der Besatzung: Anlässlich des Abzugs der britischen Truppen findet in der Nacht zum 1. Februar 1926 eine riesige Befreiungsfeier vor dem Kölner Dom statt. Zur Feier des Tages gibt der Bürgermeister Konrad Adenauer allen Kölner Kindern schulfrei.
Die hochemotionale nächtliche Befreiungsfeier in Köln wird im Rundfunk live übertragen - es ist die erste Livesendung im Deutschen Rundfunk überhaupt! In seiner euphorischen Rede vor dem Kölner Dom erklärt Adenauer in dieser Nacht:
"Auf diesem geheiligten Platz haben die fremden Truppen gestanden; laßt uns ihm von neuem die Weihe geben! Ein Symbol der deutschen Einheit und Einigkeit ist unser Dom, wie Schwurfinger ragen seine mächtigen Türme empor in den nächtlichen Himmel."
In seiner Rede zur Feier der Räumung der ersten Besatzungszone des Rheinlands gibt sich Reichspräsident Hindenburg 1926 betont national. Vor Repräsentant_innen und Bürger_innen der Stadt Köln beschwört er das Deutschtum des Rheinlandes. Die Tonaufnahme dieser Rede wurde nachträglich im Studio aufgenommen.
Im Juli 1930 geht nach gut elfeinhalb Jahren schließlich auch die Besatzung des südlichen Rheinlandes zu Ende. Koblenz begeht das langersehnte Ereignis mit einem großen Fest am Deutschen Eck. Mit dem Ende der Besatzungszeit endet auch die Sonderrolle des Rheinlandes, die seit Ende des Ersten Weltkrieges das Reich beschäftigt hat.