Wohl kaum! Mit dem Ende des Weltkriegs steht auch die westdeutsche Wirtschaft vor großen Veränderungen, allen voran die dringend notwendige Umstellung von Kriegs- auf Friedenswirtschaft. Arbeitnehmer_innen und Gewerkschaften fordern lang vorenthaltene Rechte ein. Das Wegbrechen von Absatzmärkten zwingt die Unternehmen dazu, ihre Kräfte in gewaltigen Trusts und Kartellen zu bündeln. Nach einer kurzen wirtschaftlichen Blüte Mitte der 1920er Jahre trifft der Börsencrash 1929 auch die rheinisch-westfälische Wirtschaft mit voller Härte: Massenarbeitslosigkeit und wachsende Verzweiflung unter den Betroffenen sind die fatalen Folgen.
Schon im Kaiserreich kommt es an Rhein und Ruhr immer wieder zu Kraftproben zwischen Arbeitnehmer_innen und Unternehmern. Die Arbeiter_innen im Ruhrgebiet wissen um ihre enorme Bedeutung für die Schlüsselindustrien und treten daher vermehrt für ihre Interessen in den Ausstand, wie 1905 die Bergarbeiter in Gelsenkirchen.
Wenige Tage nach Kriegsende, am 15. November 1918, schließen führende Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden das sogenannte Stinnes-Legien-Abkommen. Verunsichert von den Ereignissen der Revolution, erkennen die Unternehmer erstmals Arbeitnehmer_innen als gleichberechtigte Verhandlungspartner_innen an.
Seinen Namen verdankt das Stinnes-Legien-Abkommen den beiden Verhandlungsführern. Für die Arbeitnehmer_innenseite unterzeichnet der Vorsitzende der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, Carl Legien (links, 1861-1920), federführend für die Arbeitgeber ist der rheinisch-westfälische Industrielle Hugo Stinnes (rechts, 1870-1924).
RWKS - das Logo des Rheinisch-Westfälischen Kohlekartells steht für die Macht der großen Syndikate während der Weimarer Republik. Mit den Kartellen sollen die Firmen der einheimischen Schlüsselindustrien zusammengefasst und so vor der ausländischen Konkurrenz geschützt werden. Auch der Vertrieb der Kohle untersteht im Ruhrgebiet den Syndikaten, die damit in ihrem jeweiligen Gebiet eine Monopolstellung gewinnen.
Auch in der Stahlindustrie fusionieren Einzelunternehmen zu immer größeren Einheiten. 1926 gründet die Thyssen Gruppe mit gleich fünf Mitbewerbern die Vereinigte Stahlwerke AG. 1929 wird das "Stummhaus" in Düsseldorf als Hauptsitz eröffnet. Gleichzeitig verlagert sich jedoch die Produktion weg aus den alten rheinischen Revieren bei Aachen in die Region Rhein-Ruhr.
Ob Firmenpatriarch Hugo Stinnes hier selbst noch den Überblick hatte? Als Paradebeispiel für die Bildung von Trusts Anfang der 1920er Jahre gilt in diesen Jahren der Stinnes-Konzern. In Zeiten von Outsourcing und Verschlankung heute kaum noch vorstellbar: Im Trust sollten sich Unternehmen organisieren, die möglichst alle Produktionsschritte abdeckten.
Ein Blick in die Seidenspinnerei der Vereinigten Seidenwebereien (Verseidag), die 1920 aus der Fusion mehrerer Krefelder Betriebe hervorgehen. Noch ahnt niemand, dass eines Tages fast alle Textilien aus Ländern wie Bangladesch und Pakistan kommen werden. Die Hochburgen der Textilindustrie im Westen heißen damals Krefeld, Mönchengladbach, Wuppertal-Elberfeld und die Regionen Minden-Ravensberg und Westmünsterland.
Neben den Textilien selbst werden im Westen auch die Maschinen für ihre Herstellung produziert, allen voran im Bergischen Land und am Niederrhein. Satinier-Kalander nennt man die riesige Anlage, die aus der Krefelder Maschinenfabrik Kleinewefers stammt. Sie dient dem Glätten und Stauchen der Stoffe, damit diese später beim Waschen nicht eingehen.
Zuverlässig verrichtet die Franz Haniel I nach ihrem Umbau vom Dampf- zum dieselbetriebenen Radschlepper ihren Dienst auf dem Rhein. Für den Schlepper gibt es im Jahr 1929 viel zu tun: Transportschiffe haben eine große Bedeutung für die rheinisch-westfälische Industrie und machen den Fluss zur vielgenutzten Wasserstraße.
Neben den klassischen Industriebranchen Kohle und Stahl, Maschinenbau und Textil boomt in den Weimarer Jahren auch die noch junge Chemieindustrie. Am Standort Hürth-Knapsack bei Köln produziert die "Aktien-Gesellschaft für Stickstoffdünger" große Mengen für die Landwirtschaft.
Am 2. Dezember 1925 entsteht durch den Zusammenschluss von acht Unternehmen die Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG (IG Farben) - ein gigantisches Industriekartell mit Sitz in Frankfurt. Zu den Partnern der IG Farben gehören auch die Bayerwerke in Leverkusen sowie die chemischen Fabriken Weiler-ter Meer in Uerdingen. Die hier gezeigte Karte der Standorte entsteht nach dem Zweiten Weltkrieg.
In der Weimarer Republik konkurrieren die Städte an Rhein und Ruhr um die Ansiedlung großer Industrieunternehmen, die üppige Steuereinnahmen und Arbeitsplätze versprechen. Als Glücksfall für Köln erweist sich die Entscheidung des amerikanischen Autoriesen Ford für den Standort Köln-Niehl im Jahre 1929 (hier eine Luftaufnahme von 1931).
Schon ein Jahr später, im Oktober 1930, legt Oberbürgermeister Konrad
Adenauer den Grundstein für die neuen Fordwerke - mit dabei ist auch Firmengründer Henry Ford (links im Hintergrund mit Zylinder und weißem Schnauzbart). In kürzester Zeit entwickeln sich die rheinischen Fordwerke zum größten Kraftwagenproduzenten im Deutschen Reich.
… ist in der Weimarer Republik der Erwerb dieser Aktie - für die, die es sich leisten können, versteht sich. Im Windschatten der Fordwerke wachsen die Zuliefererbetriebe wie etwa die Deutzwerke, die 1930 mit den Humboldtwerken fusionieren. Köln wird dadurch zu einem bedeutenden Fabrikationsstandort für Motoren.
Wie Göttervater Zeus im Olymp schleudert auch der zornige Arbeitgeber 1928 seine Blitze auf die Industrie an Rhein und Ruhr. Anlass der Karikatur des Satireblatts Simplicissimus ist der sogenannte Ruhreisenstreit vom November 1928. Nach gescheiterten Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern und ergebnisloser Schlichtung kommt es zu einem äußerst harten Arbeitskampf. Dieser gipfelt in der Aussperrung von rund 240.000 Beschäftigten in der Montanindustrie.
Im Jahr 1931 erreichen die Schockwirkungen der Weltwirtschaftskrise endgültig auch den Westen. Die Pleite der bedeutenden "Darmstädter und Nationalbank" (Danat) löst einen deutschlandweiten Run auf die Filialen aus. Kund_innen versuchen verzweifelt ihre Einlagen zu retten.
Die 1929 ausgebrochene Weltwirtschaftskrise trifft auch die Realwirtschaft mit voller Wucht. Der plötzlichen Absatzkrise versucht die Kohlewirtschaft zunächst mit angepassten Arbeitszeiten und Kurzarbeit zu begegnen. 1931/32 müssen dennoch die ersten Zechen und Kokereien schließen, wie etwa die Gutehoffnungshütte in Oberhausen.
Ungleich härter als in anderen Regionen Deutschlands trifft die Wirtschaftskrise die Arbeitnehmer_innen an Rhein und Ruhr. Der wirtschaftliche Tiefpunkt in der Schwerindustrie und dem Bergbau wird Anfang 1931 erreicht. Die Folge sind Massenkündigungen durch den Zechenverband, wogegen sich die Kumpel durch Streiks zur wehren suchen.
…erscheint den Menschen Anfang der 1930er Jahre die Aussicht auf einen Arbeitsplatz. Im Winter 1931/32 versammeln sich etwa in Dortmund Hunderte Arbeitssuchende, um sich auf eine einzige (!) Stellenausschreibung zu melden.
Not macht erfinderisch: In den 1920er Jahren planen der Ruhrverband und die Stadt Essen den Bau des Baldeneysees im Süden der Stadt. Doch erst im Juli 1931 beginnen die Arbeiten als groß angelegte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Bis zu 2.000 arbeitslose Essener sind auf der Baustelle im Einsatz, zum Teil mit den primitivsten Arbeitsgeräten. Als Lohn erhalten sie zwischen 1,00 und 1,80 Reichsmark und eine warme Mahlzeit am Tag.